Mittwoch, 21. Dezember 2011

Handreichung zur Kirche für Journalisten

Liebe Kollegen, die ihr über die Schweizer Christen schreibet. Vermeidet den Unsinn, von der "Schweizer Kirche" zu schreiben und nur die Papstkirche zu meinen. Merkt auf! Dreierlei christliche Konfessionen kennt die Schweiz: die römisch-katholische (A: seit 325), die evangelisch-reformierte (B: seit 1523) und die christkatholische (C: seit 1873). Nur A anerkennt den Papst, nur A und C haben Bischöfe. Die Bischöfe von A sind in der Schweizerischen Bischofskonferenz zusammengefasst. Für C reicht ein Bischof für die ganze Schweiz. Die Landeskirchen (Kantone) von B sind föderal organisiert im SEK, "Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund", und haben eine Art siebenköpfigen "Bundesrat" mit Frauenmehrheit (!) und einem Präsidenten, der bleibt. Es ist derzeit Gottfried Locher, und wenn er sich "Bischof" von B nennt, dann will er provozieren! Der Sprecher der Bischofskonferenz ist Abt Martin (twitter!) von iSiedeln. Die Gurus von A heissen Priester, werden geweiht, dürfen weder Frauen sein noch welche heiraten.
In C dürfen auch Frauen Priesterweihe erhalten (geiles Thema!). In B werden die Orts-Gurus Pfarrer genannt, sie dürfen auch Frauen sein und auch heiraten. Sie werden nicht geweiht, sondern ordiniert (zu VDM = Verbi Divini Minister) durch die Landeskirchenleitung und dann installiert durch den Dekan ("Bezirksoberpfarrer", Leiter des Pfarrkapitels) nach Wahl durch die Kirchgemeinde. Alle diese Kirchen, die als öffentlichrechtliche Körperschaften nach Schweizer Staatskirchenrecht verfasst sind, haben demokratische Strukturen. A findet das nicht lustig. Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat ist in jedem Kanton unterschiedlich geregelt. Das einzige Verbindende der drei Kirchen ist die Bibel und die gemeinsame Feier des eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettages seit 1832. Denn A und C feiern die Messe mit Eucharistiefeier (Hostie, Oblate), B feiert Gottesdienst manchmal mit Abendmahl (Toastbrot mit Traubensaft). Dies das Wichtigste. Haltet diese Lehren in Ehren. Studiert sie immer, bevor ihr zu Kirchlichem schreibt, auf dass eure Ignoranz verborgen bleibt.

Gedruckt in "reformierte presse"Nr. 48 2.12.2011 (online ref.ch)

Freitag, 9. Dezember 2011

Ulrich Ochsenbein (1811 - 1890): Vater des modernen Bundesstaates

Ulrich Ochsenbein ist eine prägende Figur der freisinnigen Regeneration und des frühen Bundesstaates. In diesem Post findet der Leser keine Eigenleistungen sondern nur gezielte Verweise auf die besten Informationsquellen im Netz. Nebst dem HLS , der "Encyclopedia Brittanica" und Wikipedia (auch alemannisch) ist hier vor allem die kürzlich veröffentlichte Biografie des Schweizer Journalisten Rolf Holenstein zu erwähnen. In 45 Sekunden orientiert dieses Video. Das Schweizer Radio kürzlich hat einen "Doppelpunkt" (8.12.2011, 20.03 Uhr, DRS 1) diesem herausragenden Schweizer der Regenerationszeit gewidmet. Zu seinem 200 Geburtstag hat sein Heimatort Nidau dem grossen Sohn einen Parcours gewidmet (Regionaljournal 11.11.2011). 1848 - 56 gehörte er dem ersten Bundesrat des Bundesstaates von 1848 an (Details zu seiner Wahl).

Flyer der Veranstaltung in Nidau

Interpellation von Philippe Messerli (EVP/Nidau)

Amazon-Kundenrezensionen


Notiz in "Journal 21"

Blocher referiert über Ochsenbein in Aarberg


Blocher referiert über Ochsenbein in Herrliberg (tele-blocher)

Dienstag, 6. Dezember 2011

Theologische Stellungnahme zum kirchlichen Gastrecht für die Occupy-Bewegung am Zürcher Stauffacher

Himmelshoergeraet I, 2007, Oel/Leinwand, Bild von Verena Mühlethaler

Pfrn. Verena Mühlethaler rechtfertigt das kirchliche Gastrecht der Occupy-Bewegung am Stauffacher

Folgende Erklärung wurde in der Zürcher City-Kirche "offener St.Jakob" am 26. November 2011 von Pfarrerin Verena Mühlethaler vorgetragen. Die Veröffentlichung in diesem Blog erfolgt mit der Einwilligung von Pfarrerschaft und Kirchenpflege der Kirchgemeinde Aussersihl.


Darf die Kirche politisch sein?
Das war eine der wichtigen Frage, die unser Entscheid, der Occupy-Bewegung Gastrecht zu gewähren, ausgelöst hat. Die Antworten gingen da ziemlich auseinander. Dazu möchte ich kurz Stellung nehmen.

Neben Gottesdienste feiern, Seelsorge, Bildung und sozialer Unterstützung (Diakonie) hat die Kirche meiner Meinung nach einen politischen Auftrag in unserer Gesellschaft.

Was meine ich mit politisch? Ich meine damit etwas ganz Grundsätzliches, wie es in der ursprünglichen Bedeutung des griechischen Wortes „Politika“ zum Ausdruck kommt: Das meint alle Angelegenheiten, Tätigkeiten und Fragestellungen, die das Gemeinwesen („polis“, die Stadt), also die Allgemeinheit betreffen.

Der Grund, warum unsere Kirchen in diesem eben skizzierten Sinne einen politischen Auftrag hat, ist in der Bibel zu finden. Sie ist die Grundlegung und Richtschnur der Kirche. Die Bibel ist, nicht nur ein religiöses, sondern auch ein eminent politisches Buch ist. Ich möchte das an ein paar Beispielen ausführen:

Die Frage nach Recht und Gerechtigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch alle Schriften, die in der Bibel versammelt sind. In der Thora, dem Gesetz von Moses, stehen neben kultische auch Wirtschafts- und Sozialgesetze, die vor allem zum Schutze der Ärmsten da sind: den Sklaven, den Witwen, Waisen und Ausländer.

Deutlich wird das bei den Propheten: Das waren keine Wettervorhersager, sondern sie haben die gesellschaftlichen Missstände klar - und oft wortgewaltig – beim Namen genannt. Der Prophet Amos z.B. kritisiert, dass die wirtschaftlich Schwachen gepfändet, versklavt und unterdrückt werden, während die Reichen üppige Gelage feiern. Sie taten das im Namen jenes Gottes, für welchen die Armen und Unterdrückten Priorität haben. Des Gottes der will, dass in seinem Volk Recht, Gerechtigkeit und Güte verwirklicht werden.

Jesus stellte sich in diese Tradition. In seinen ersten öffentlichen Worten zitiert er den Prophten Jesaja und sagt: „ Der Geist Gottes ruht auf mir, weil er mich gesalbt hat, Armen das Evangelium zu verkündigen. Er hat mich gesandt, Gefangenen Freiheit und Blinden das Augenlicht zu verkündigen, Geknechtete in die Freiheit zu entlassen und das Jahr auszurufen, in dem alle von ihren Schulden befreit werden sollen“ (Lk 4, 18). Er nannte das auch das Reich Gottes. Ein Reich, in dem Gerechtigkeit und Frieden verwirklich sind. In der Bergpredigt sagt er, wir sollten uns nicht zu sehr um unseren eigene Bedürfnisse kümmern, sondern nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit suchen. Das Teilen und die gegenseitige Solidarität sind neben der Liebe Kennzeichen dieses Reiches. Diese Vision können wir ohne Gott nicht verwirklichen. Aber ebenso wenig kann Gott diese seine Vision ohne uns verwirklichen.

Unsere Kirche schafft das nie und nimmer alleine. Und darum freue ich mich sehr darüber, dass weltweit Menschen aufstehen und laut ein Halt rufen: So kann es nicht mehr weiter gehen. Und nach neuen Wegen suchen, wie der entfesselte Markt, insbesondere der Finanzmarkt, sich wieder mehr in den Dienst der Gesellschaft, nämlich der gerechten Verteilung des Wohlstanden, stellen kann. Und ich bin dieser Bewegung insofern dankbar, als dass sie unsere Kirche aus ihrer bürgerlichen Selbstgenügsamkeit aufweckt und sie an ihren eigenen, wichtigen Auftrag erinnert.

Schliessen möchte ich mit den Worten des Präsidenten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK), Gottfried Locher: 

„Ohne Aussagen zum Hier und Heute ist das Evangelium von Jesus Christus kraftlos. Das Heil liegt nicht nur in der Zukunft, es beginnt jetzt: Christinnen haben sich gesellschaftlich einzumischen“


Presse: "Le Temps" (Genf), "Die Zeit" (Hamburg), Tristan Cef in "Tribune de Geneve" (Genf) via "Polit-blog", ref.ch, reformiert. de, " "Langenthaler Tagblatt", "Tages-Anzeiger", "wochenzeitung" "NZZ (16.11.2011)", "NZZ (28.11.2011)" "tele züri",

Predigten von Verena Mühlethaler im Netz:
Heiligabend 2011