Gestern Abend feierte das Musical «Die Schwarzen Brüder» in Walenstadt Premiere (Kritik folgt im Samstagsblatt). Der Tessiner Verdingbub
Den «Schwarzen Brüdern» verdanke ich manch freundliches Wort. Nannte ich in der Zeit von Schwarzenbachs «Überfremdungsinitiativen» meinen Vornamen, kam ich – der «Tschingg» –, in den Genuss der freundlichen Anteilnahme, die der Held des helvetischen Jugendbuchbestsellers bei seinen Leserinnen und Lesern gewonnen hatte.
Wende. Das Buch markiert auch einen Wendepunkt in der Ehe Lisa Tetzner/Kurt Kläber (aka Held). Bis anhin war Frau Tetzner für die Kinderherzen zuständig, während Kurt Kläber als kommunistischer Literat das Weltanschauliche für Erwachsene beackerte. 1933 wurde er nach dem von den Nazis inszenierten «Reichstagsbrand» verhaftet. Seine Bücher wurden verbrannt.
Lisa Tetzner, die unbedenkliche Bürgerstochter und Radiomärchentante, durfte noch bis 1937 in Deutschland publizieren. Aber sie musste um die Freilassung ihres Mannes kämpfen und folgte ihm ins Schweizer Exil nach Carona. Hier erwartete Kläber ein Schreibverbot und die übliche fremdenpolizeiliche Praxis.
Lisa Tetzner nahm einen Lehrauftrag in Basel an, Kurt Kläber versuchte sich in kleinbäuerlicher Selbstversorgung. Im Jahr des Zusammenbruchs Frankreichs, als General Henri Guisan den Rütli-Rapport abhielt und der Schriftsteller Walter Benjamin in Port Bou Selbstmord machte, erschien das Buch unter dem Namen Lisa Tetzner. Es scheint aber wesentlich das Werk Kurt Kläbers gewesen zu sein, der schon im Jahr darauf unter dem Pseudonym Kurt Held den viel gelesenen Klassiker «Die rote Zora» vorlegte.
Jugend. Das Ehepaar trotzte der Zeit. Um das geistige Fundament dieser Dichterehe zu begreifen, sei die erste Begegnung der beiden, wie sie Lisa Tetzner später schilderte, zitiert: «Es war im Jahr 1919. Ich wanderte Märchen erzählend durch den Thüringer Wald. In einer kleinen Stadt, Lauscha, dem Mittelpunkt der Glasbläser, traf ich eine laute Kirchweih (...) Besonders eine Bude fesselte sofort meinen erstaunten Blick. Davor stand ein junger Bursche mit dichtem, braunem, ziemlich struppigem – oder sagen wir offen – liederlichem Haar. Es fiel ihm bei jeder Bewegung über Augen und Nase und wurde dann mit kühner Kopfbewegung nach rückwärts geworfen. Er trug nach damaliger Wandervogelart einen rostbraunen Leinenkittel mit dem freideutschen Jugendabzeichen, kniefreie schwarze Manchesterhosen, nackte Beine und Sandalen, so genannte Jesuslatschen.» 1924 wurde geheiratet.
Gastarbeiter. Kläber hoffte lange auf den Kommunismus. In seinem 1927 erschienenen ersten Roman «Passagiere der III. Klasse», in dem er Gespräche von Atlantikreisenden montiert, lässt er einen russischen Bauern auftreten, der, obwohl es ihm in den USA nicht schlecht ging, nach Hause will, weil ihm sein Vater geschrieben hat: «Wir haben ein neues Väterchen in Moskau: Wladimir Iljitsch (Lenin) ... Er hat allen die Freiheit geschenkt und uns Feld gegeben. Es ist Feld auch für dich da.»
Feld und Freiheit fand Kurt Kläber im Tessin bei Mutter Helvetia und in Lisa Tetzners Liebe. Hier wurde er Held und 1948 – nach «Der Trommler von Faido» – Schweizer Bürger. Lisa Tetzner überlebte ihn um vier Jahre und setzte diesem Tessiner «geistigen Gastarbeiter» in «Das war Kurt Held» 1961 ein literarisches Denkmal.
> «Die Schwarzen Brüder» werden in Walenstadt noch bis zum 21. August gespielt. www.dieschwarzenbrueder.ch
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