Donnerstag, 3. Februar 2011

Schweizer Heereskunde (II) 1668 - 1848

Ausschnitt aus "Schweizer Heereskunde" von Karl Egli, Oberst im Generalstab: Mit einer geschichtlichen Einleitung von Oberst M. Feldmann. Zürich, zweite Auflage, Schlulthess & Co. 1916. S. 18 -

[p. 18]
{Defensionale 1668}
Am 18. Mörz 1668 wurde in Baden das Eidgenössische Defensionale beschlossen

"zue unsers allgemeinen Standes und VaterLandes nothwendiger beschirmung
und erhaltung der von unsern Lieben altfordern so theür Erworbenen herrlichen
Freyheiten."


Diese Wehrverfassung war ein bedeutender Fortschritt und konnte - im vaterländischen Sinne weitergeführt - die Grundlage zu einer für das ganze Volksleben segensreichen Weiterentwicklung des Wehrwesens werden.
Die Einteilung der Streitkräfte in 3 "Auszüge" (GG: die späteren "Heeresklassen"?: Auszug, Landwehr, Landsturm) wurde beibehalten. Der 1. Auszug follte aus 13'400 Mann Infanterie, 400 Reitern und 18 Geschützen bestehen. Für den 2. und 3. Auszug war den Orten noch 2 mal soviel Mannschaft vorgeschrieben, so dass eine Armee von rund 40'000 Mann Infanterie,
1200 Reitern und 48 Geschützen aufgestellt werden konnte.
Der 1. und 2. Auszug wurden in zwei "Armeen" geteilt, an deren Spitze je sechs Stabsoffiziere
der verschiedenen Orte standen, und zwar

"ain Oberster feldthauptmann, ain Obrister feldtwachtmeister ain [p. 19] Obrist über die Artillerie, ain Quartiermeister, ain Provos, ein Wagenmeister."

Je eine "qualificierte Standesperson" und ein hoher Offizier jedes Ortes bildeten einen Kriegsrat, dem grosse Kompetenzen eingeräumt waren. Die Herren vertraten im Felde die Obrigkeiten, sie sollten

"getreüwlich und üffrichtig Beratschlagen, helffen, was Sie bei Ehr,
Eiden und gewüssen dem gemeinen lieben vatterland vortheilig fürstendig und
erspriesslich erachten mögen"

Der Kriegsrat konnte nach Bedarf Truppen aufbieten, Frieden schliessen, verfügte über die materiellen Hilfsmittel des Landes und hatte die Aufgabe, den

"feindt Zuesuchen, an Zegreiffen, Zeschlagen, nachzeJagen auch in
seinem eigenen Landt zue Verfolgen"

Als Verpflegung sollte jeder Soldat täglich, 1 1/2 Pfd. "Commisbrod" und als Besoldung wöchentlich 1/2 Louis erhalten auf Kosten der Orte.

Die Armee sollte jederzeit mit "Wehr und Waffen, Kraut und Loth" kriegsbereit sein. Die Orte hatten für genügende Verpflegungsvorräte - besonders an der Grenze - zu sorgen.

In Art. 10 wird die Grenzbewachung geregelt. Die Grenzorte sollen "Bei anscheinender gefahr", also rechtzeitig und eventuell vor Kriegsausbruch "vorderist alle Päsz der notrufft nach Besetzen und Bewahren". "Sändungen bei den annähernden völkern", d.h. Patrouillen über die Grenze dem feindlichen Heere entgegen, sollten dessen "Intention so vill möglich erfahren" und sofort an die "KriegsRäth" melden.


Hochwacht von Erlach (Kt. Bern) mit Blick auf die Petersinsel

{Chutzen}

Eine grosze Zahl optischer Signalstationen, die sog. Hochwachten oder Chutzen ermöglichten die Weiterleitung solcher Meldungen und erleichterten eine rasche Alarmierung der Mannschaften.

Diese Hochwachten wurden bei drohender Kriegsgefahr von einigen Mann bezogen. Zu der Einrichtung gehörte in der Regel ein Wachhäuschen mit den nötigen Instrumenten zur Orientierung, wie Quadrant oder [p. 20] "Absichtsdünchel" usw., ferner Holz oder eine Harzpfanne, später eine Anzahl Musketen und Mörser.

Bern hatte 156, Freiburg 33, Thurgau 56 Hochwachten. Zürich war mit dem Rheintal, Bünden, Glarus und Basel verbunden. Bei günstiger Witterung konnten in einer Viertelstunde sämtliche Hochwachten des Kantons Zürich benachrichtigt werden.


Obersee-Gebiet mit Rapperswil und Wurmsbach auf der Gyger-Karte von 1676

{Militärkarte}
Auch in anderer Weise suchte Zürich seine Kriegsbereitschaft zu vervollkommnen. 1619 erteilte der Rat einigen Ingenieuren den Befehl eine Militärkarte des Kantons und der angrenzenden Gebiete herzustellen. Die Herren hatten nicht nur die "orther und päsz uffzerysen, die Landtstraszen, steg, wäg, flüsz, fahr, möszer, sümpf, büchel, hinderzüg ze verzeichnen", sondern sollten auch £Angaben machen, "das Land ze bevestenen und gegen den fynt wehrhaft ze machen mit Batterien, Wällen, Schanzen, verborgenen Wachten etc." Bereits 1620 lag eine Karte der Nordostschweiz vor, die nach dem Namen ihres Autors, des bekannten Topographen Gayger, die "Gygersche" genannt wird.

{Kriegskasse}

Von den späteren Ergänzungen zum Defensionale - bis 1674 - ist die Errichtung der Kriegskasse zu erwähnen. Jeder Ort sollte für zwei Auszüger 1 Thaler einbezahlen; die Verwaltung der Kasse war streng geregelt. Als Hauptzweck der Armee wurde der Schutz der Neutralität bezeichnet.*

1672-74 versammelten sich die Kriegsräte oft und arbeiteten mit Fleisz an der Weiterentwicklung des Wehrwesens; aber leider wurde diese durch die Oppo=[p.21]sition einzelener Orte verunmöglicht, indem eine höchst unpatriotische Hetze gegen das Defensionale einsetzte.

Trotzdem hat diese Wehrverfassung dem Lande gute Dienste geleistet. Öfters verhinderte schon ihre Existenz Durchmärsche feindlicher Truppen. In der Regel genügten die Aufforderung an die kriegführenden Parteien, die Neutralität zu respektieren, und die Bereitstellung des 1. Auszuges. Das war im Fall im Julit 1673, im Oktober 1676, im Juli 1677. 1678 kamen die Defensionaltruppen zu spät, aber die Grenzverletzung bei Riehen war sehr gering. Weitere Versuche, z.B. der beabsichtigte Rheinübergang bei Rheinfelden, wurden aber durch die 2'650 Mann Grenztruppen verhindert. Schanzen an der Birs, bei Augst, an der Hülfftenbrücke sollten diesen Grenzschutz erleichtern. 1689 standen vom Juni bis September 2520 Mann bei Basel. Als Kuriosum mag erwähnt werden, dasz in diesem Falle beide Kriegführenden, der Kaiser und der französische König, die Kosten der eidgenössischen Grenzbewachung zum grossen Teil trugen: jeder mann erhielt monatlich fünf Louistaler. Erst im März 1691 kehrten die Grenztruppen nach Hause zurück.

Im eidg. "Schirmwerk" vom 7. September 1702 wurde das Defensionale bestätigt.

{18. Jahrhundert}

(Fortsetzung folgt)

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