Dienstag, 19. April 2011

Fahrtpredigt 2011 von Bf. Vitus Huonder


Die Predigt, die im Wechsel von einem katholischen und einem reformierten Geistlichen an der Näfelser Fahrt gehalten wird, hielt dieses Jahr der Churer Bischof Vitus Huonder. Zweierlei Dinge sind daran bemerkenswert. Der Churer Bischof ist im Lande Glarus eigentlich ein "Auswärtiger" (was bei katholischen Predigten im 19. Jahrhundert schon oft Stoff für Auseinandersetzung bot). Zum anderen steht Huonder wegen seiner sehr konservativen Personalentscheidungen stark in der Kritik. Die Situation zwischen den demokratischen Strukturen der staatsrechtlich verfassten Landeskirchen in den Kantonen des Bistums Churs und der von Rom gestützten Bistumsleitung ist wieder einmal sehr angespannt. Interessant, ist darum, wie Huonder in einer Predigt, die einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird (Abdruck im "Fridolin") auf diese Situation reagiert. Oder eben nicht reagiert.

Sehr geehrter Herr Landammann, meine lieben Glarnerinnen und Glarner, liebe Gäste,

heute liest die Kirche ein Wort aus dem Evangelium nach Johannes. Wir hören es im anschließenden Gottesdienst. Darin sagt Herr: “Wie könnt ihr zum Glauben kommen, wenn ihr eure Ehre voneinander empfangt, nicht aber die Ehre sucht, die von dem einen Gott kommt” (Joh 5,44). Jesus befindet sich im Gespräch mit dem Volk, welches ihn und seine Sendung anficht. Die Menschen wollen sich auf ihn, den Gesandten des himmlischen Vaters, nicht einlassen. Sie bezeichnen ihn sogar als einen Menschen, der von einem Dämon besessen ist. Eine solche Haltung führt dazu, dass die Menschen das Ziel ihrer Existenz, den Sinn ihres Seins, nicht erreichen. Sie kommen, wie Jesus es sagt, nicht zum Glauben. Sie erreichen nicht die befreiende und erfüllende Macht des Glaubens. Deshalb spricht Jesus die besorgten Worte aus: “Wie könnt ihr zum Glauben kommen, wenn ihr eure Ehre voneinander empfangt, nicht aber die Ehre sucht, die von dem einen Gott kommt.”

Wir können den Glauben und seine befreiende Macht nur dann finden - eben zum Glauben kommen - wenn wir uns auf das einlassen, was von Gott kommt, das heißt, was von jenem kommt, den Gott uns gesandt hat, Jesus Christus. Wir können zu diesem befreienden Glauben nur dann finden, wenn wir uns nicht selber genügen; wenn wir uns nicht einigeln.

Die uns Menschen eigene Selbstgenügsamkeit bringt Jesus zum Ausdruck mit den Worten: “Wie könnt ihr zum Glauben kommen, wenn ihr eure Ehre voneinander empfangt.” Wir tauschen nur unter uns Freundlichkeiten aus - vielleicht nicht immer - und lassen uns von unseren eigenen Sorgen, Wünschen, Vorstellungen leiten. Wir brechen nicht aus unseren engen Grenzen aus in jenen Bereich hinein, in welchem wir Gott und seine Wahrheit entdecken und in uns aufnehmen können. Wir empfangen, wie Jesus es sagt, nur voneinander die Ehre; nur menschliche Ehre.

Um diese Selbstgenügsamkeit zu verlassen und in die Weite Gottes zu gelangen, müssen wir durch Christus unsere Grenzen durchbrechen und uns um die Ehre Gottes bemühen. Wenn wir fähig werden, Gott die Ehre zu geben und von Gott das anzunehmen, was uns ehrt und uns zum Heil gereicht, kommen wir aus dem Teufelskreis der Selbstbespiegelung heraus und brechen auf in neue Weiten.

Ich meine, das Ereignis hier zu Näfels, welches wir heute feiern, wurde von unseren Vorfahren als ein Ereignis betrachtet, das auf die Hilfe Gottes zurückzuführen ist. Unsere Vorfahren haben es als ein Ereignis der göttlichen Rettung aus großer Not wahrgenommen und uns weitergereicht. Denn jeder Krieg mit den bekannten Begleiterscheinungen von Plünderung, Vergewaltigung und Mord ist immer ein Ereignis von Not und Leid, ob das heute der Fall ist, oder früher der Fall war. Die Folgen für die Menschen sind immer dieselben: die verbrannte Erde.

Das Näfelser Schlachtlied führt uns deutlich auf die Spur des Glaubens mit einer Bitte und mit einem Dank. Das Schlachtlied ist in diesem Sinn ein Beispiel dafür, dass die Glarner ihre Ehre nicht voneinander empfangen haben, sondern jene Ehre suchten, die von dem einen Gott kommt, zum einen mit der Bitte: “Ach richer Christ von himmel und Maria, reine magd, wellend ir uns helfen, so sind wir unverzagt”; auf der anderen Seite mit dem Dank: “Des dankend wir alle Gotte und sant Fridli, dem helgen man, und diese manliche thate han die fromen Glarner than.” Ich wünsche und bete, dass wir auch in unserer Zeit die Ehre suchen, die von dem einen Gott kommt, und dass jede und jeder von uns dadurch jene Lebensfülle findet, die nur von der Ehre Gottes ausgehen kann.

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