Donnerstag, 17. November 2011

Fight for your right to Party

Folgende Carte Blanche aus dem Mamablog von Julian J. Schärer übernehmen wir aus folgenden Gründen: 1. Es meldet sich eine Jugend zu Wort mit dem Willen zur Verantwortung, 2. Der Text hat etwas im besten Sinne "bekenntnishaftes", 3. es scheint am Ende die Sehnsucht nach einer generationen-übergreifenden "Liturgie" auf, die sich aus dem herrschenden Mainstream des individualistischen Konsumismus abheben will.


»Fight for your Right to Party» sangen die Beastie Boys. Heute bedeutet Party für viele einfach nur noch zerstören aus persönlicher Wut.

Früher wurde dafür gekämpft, das man Partys feiern durfte. Heute sind Partys für viele einfach nur ein Ventil für Wut und Zerstörung: «Fight for your right to party» ist ein Song der Band Beastie Boys (im Bild oben).

Ich bin 19 Jahre alt und ein Wohlstandskind. Ich hatte nie echte Probleme oder Ängste und dafür bin ich dankbar.

Trotzdem, oder gerade deswegen, zieht es mich Wochenende für Wochenende an Partys. Auch und besonders an exzessive und illegale. Die ganzen Strapazen des mühsam und sinnlos erscheinenden Schulalltags, die nervigen Gesichter von Lehrern und Mitschülern, der sonst omnipräsente Weltschmerz gehen vergessen. Ich suche nicht Krawall, sondern ausgelassene Momente mit Freunden und Fremden, den Rausch und das Versprechen der Nacht, an einem Ort zu landen, den ich noch nicht kenne, Grenzen zu überschreiten, die mir bis dato unbekannt waren. Dieses Gefühl, wenn jegliches Streben vergeht, wenn bloss Glück und Zufriedenheit bleiben.

Allzu oft bleibt dieser Moment aus. Weil ich mir die Party nicht leisten kann oder zu jung bin, um reinzukommen. Weil die Leute bescheuert, unsympathisch, aggressiv sind. WeilTürsteher, Polizisten und besoffene Stressköpfe dich doof anmachen. Oder am schlimmsten: Die Musik so scheisse ist, dass es einer akustischen Vergewaltigung gleichkommt. Danach ist der Heimweg hart und einsam, es bleibt nur die Hoffnung auf das nächste Wochenende.

Mamablog

Ein Jugendlicher bewirft nach einer Party in Zürich Polizisten.

Fight for your right to party? Die hohen Ansprüche eines Wohlstandskindes machen vor Partys nicht Halt. Wo diese nicht erfüllt werden, lauert Frustration. Und die kennt viele Wege, um sich ihre Bahn zu brechen. Ich persönlich nehme keine Eisenstangen zur Hand oder werfe Steine und Armeemesser, wie andere Vertreter meiner Generation. Aber ich kenne jene, die es tun, und es hat selten ausschliesslich mit fehlenden Freiräumen zu tun, auch selten mit fehlendem Wohlstand, sondern mehr mit individuellen Problemen. Unter dem Beastie-Boys-Deckmantel wird der persönlichen Wut freien Lauf gelassen.

So sehr ich illegale Partys schätze, ich finde dieses Verhalten einfach nur kriminell. Natürlich spielt Gruppendynamik bei den Ausschreitungen eine Rolle. Aber ich und die «Szene», welche solche Veranstaltungen organisieren, wir müssen uns eingestehen, dass wir die falschen Leute anziehen. Diesbezüglich herrscht eine fatal naive Toleranz. Man denkt, es sind doch nur ein paar Spinner. Leben und leben lassen, wir wollen schliesslich auch illegale Partys feiern. Aber langsam denke ich, dass darunter noch eine grössere, gesellschaftspolitische Frage lauert.

Wir sind alle überfordert. Für die Politik sind die Krawalle ein Anlass, ihre Lieblingsbegriffe Kuscheljustitz und Integration in die Runde werfen, die Medien schlachten das Ganze aus und die Intellektuellen können sich mit ihren Kommentärchen dazu rühmen. Für Jugendliche wie mich sind sie nur ein weiterer Grund, neue Partys zu feiern. All dies zusammen ergibt diese Suppe von Gesellschaft, die mir einfach nicht schmeckt.

Wenn ich mich unter Freunden und Bekannten umhöre, stimmt mich das wenig optimistisch. Alles und jeder ist unverbindlich, spontan und von Kopf bis Fuss durchindividualisiert. Ein geschlossenes Agieren wird so fast unmöglich. Ich wünsche mir mehr Zusammenhalt und Organisation. Die Schnittmenge von Konsumenten und Produzenten muss sich vergrössern. Das würde von Wertschätzung zeugen. So dass alle als Gleichgesinnte, ohne Gesindel, die Musik, dieses Gefühl feiern können, das uns doch alle verbindet. Auch generationenübergreifend.

Auch wenn die gewalttätigen Chaoten nur einen kleinen Prozentsatz ausmachen, müssen wir uns fragen: Wollen wir diese Gewaltbereitschaft noch länger hinnehmen? Dieser Verantwortung kann sich meine Generation nicht entziehen.

Wir danken Julian J. Schärer für diesen Beitrag.


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