Es mag ein Zug des sich gerne selbstzerfleischenden Protestanitsmus der Schweiz sein - der im übrigen seit 1868 gänzlich einer geschriebenen Konfessionsschrift misstraut -, dass das Calvin-Jahr in der SchweizerischenÖffentlichkeit bis anhin kaum Beachtung gefunden hat. Es sind die zugewanderten Geistes-Gastarbeiter, die sich des Erbes des wohl wirkungsmächtigsten "Eidgenossen" annehmen. Oder aber es handelt sich um Schweizer Katholiken, die mit patriotischer Inbrunst und barocker Sprachfreude die Bedeutung des von ihrer Kirche "verketzerten" Miteidgenossen feiern.
Zwei Texte möchte ich den hier vorbeirauschenden Bloggonauten sehr ans Herz legen. Zum einen die in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erstmals veröffentlichte Polemik des in Berlin weilenden Einsiedler Klosterschülers Thomas Hürlimann: "Herr Steinbrück, Sie haben Mundgeruch". Hier wird Calvin zwar nur in einem Nebensatz erwähnt, aber als effiziente Brücke zwischen Hirten-Mentalität und Genfer Weltgeltung treffend gewürdigt.
Zum andern das wahrhaft beeindruckende "Interview", das der Egon-Kisch-Preisträger, Erwin Koch, im heutigen "Magazin" des Sonntagsblick zusammengestellt hat. Es ist eine subtil didaktisierte, anschauliche Würdigung des grossen "Eidgenossen". Leider kann ich auf das Meisterwerk nicht linken, empfehle es aber allen (allenfalls beim Verlag nachbestellen) die eine leichtfassliche, sprachlich herausragende und historisch gründliche Würdigung des grossen Genfers suchen. Wer sich nun wudert, warum eine solche publizistische Perle, nicht im "Magazin" des Hauses Tamedia erscheint, der sei auf diese kleine "Personalie" verwiesen, und den saloppen Umgang, den man nun dort mit dem grossen Genfer "Gotteskrieger" pflegt.
Der jetzige Chefredaktor, Finn Canonica, ein bekennender Katholik ("was ich mag: (...) Loyalität, die Beichte, die Messe, meine Frau, meine Töchter Emily&Miel") mit Hang zur Thematisierung von katholischem Life-Style und Äusserlichkeiten, mag in seinem Blatt weniger die "kritische Reflexion" sondern sieht sich eher als Wortführer , Chef und Beichtvater einer neuen urban-hedonistischen Bürgerlichkeit beliefert von Rudeljournalisten von Martin Kalls Gnaden.
Allerdings ist er von Selbstzweifeln nicht ganz frei. So fragt er die St.Galler Kommunikationstheoretikerin Miriam Meckel (im "Tages-Anzeiger" zur Karikatur-Kolumnistin geadelt), ob es nicht gemein sei, dass seinem Kolumnisten, Daniel Binswanger, ob seiner Ganzkörperfoto "Eitelkeit" vorgeworfen werde.
My Heart is Strangely Warmed
vor 3 Stunden
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