Montag, 25. Juli 2011

Indro Montanelli deutsch

Das Thema Montanelli sei noch mit einem Post beschlossen, das die Rezeption in Deutschland spiegeln soll. Hier lässt sich ähnliches sagen, wie es sich im Zusammenhang von Hans Habe in einem Post angedeutet habe: Montanelli ist - auf dem Buchmarkt - in Deutschland das Opfer der "Kulturwende" von 1968 geworden. Der Schweiz kommt der Vermittlung der norditalienischen Italianità im deutschen Sprachraum eine entscheidende Bedeutung zu, weshalb es angemessen ist, davon in der "Willensnation" zu handeln.

Es ist der Zürcher Europa-Verlag von Emil Oprecht der 1946 die Tragödie "Die drei Kreuze" (Qui non riposano) auf Deutsch herausbringt.

Damit wird Montanelli in Deutschland erst als Dramatiker, dann als Causeur und Populär-Historiker wahrgenommen. Wobei das deutsche Publikum sich auf die Antike und Garibaldi beschränkt:

Montanelli, Indro. Wenn ich so meine lieben Landsleute betrachte. Übers. Von Hans E.Günther. 1954, 1957, 1960 (offenbar ein Erfolg der biederen 50er Jahre)

Montanelli, Indro. Eine Geschichte Roms. Übers. Von H.E.Günther. 1959 (430 S.) (auch die Bildungsbürger entdecken ihn)
Montanelli, Indro. Personaggi d’oggi: Italienische Zeitgenossen. Zweisprachig italienisch-deutsch. Edition Langewiesche Brandt, 1963 (Sprachdidaktik und Völkerverständigung im EWG-Raum)

Montanelli, Indro; Mario Nozza. Garibaldi. Deutsche Verlagsanstalt, 1964 (renommierter Verlag, wieder was für den Bildungsbürger)

Montanelli, Indro. Questi Romani! – Diese Römer!. Geschichten aus der Antike. Dtv, 2006 (das letzte noch heute lieferbare Buch von ihm auf Deutsch)

Der Austritt aus dem "Corriere della Sera" 1974 führte dazu, dass er nun als "Faschist" galt. Darum wurde er im deutschen Sprachraum in der Zeit der Romantik des "Euro-Kommunismus" nicht mehr wahrgenommen und nicht mehr übersetzt. Obschon er als Journalist auch in deutschen Zeitungen gedruckt wurde.

Artikel für die "Zeit": Montanelli schrieb von der ersten Stunde an für die "Zeit" 1949 - (im Zeit-online-Archiv einsehbahr).
Entscheidend ist dieser Artikel hier aus dem Jahr 1965, in dem Montanelli die Sicht der Italiener auf Deutschland schildert. Danach scheint Montanelli nicht mehr für die "Zeit" geschrieben zu haben wurde aber oft in "Zeit"-Artikeln als Referenz zitiert. Es war die Zeit der Linke und er wurde nun als "ultraliberal" etc. bezeichnet.

Für den "Spiegel" schrieb er noch 1980 eine luzide Analyse Italiens.

Aufmerksamkeit erregte er wieder 1994, als er seine Gründung "Il Giornale" dem politisierenden Verleger Berlusconi zurückliess und 83jährig eine neue Zeitung "La Voce" gründete. Zeit

Schriftgrad
Und schliesslich wurde er nun zum viel-zitierten Anti-Berlusconianer. Aber nichtsdestotrotz wurden scheinbar keine Bücher mehr von ihm in Deutschland herausgebracht: die Linke hatte andere "Lieblings-Intellektuelle": Umberto Eco, Norberto Bobbio, etc.

Zum Abschluss darum noch die Nachrufe, die in Deutschland nach dem 22. Juli 2001 erschienen, die verlinkbar sind. Der Nachruf von Dietmar Polaczek in der "Zeit" ist nicht linkbar. Spiegel,
Die Welt Die Tageszeitung.

Update 4.8.2011:
Posthum sorgte Montanelli nochmals für Schlagzeilen durch die Arbeiten der Schweizer Historikerin Renata Broggini, welche anhand der Quellenlage in Schweizer Archiven den grossen Journalisten in verschiedenen Punkten der Lüge überführte. Bericht hier. Die Erfindung von Zitaten war bei Montanelli eine notorische Sache. Eine Rezension des Buches der Broggini und Einschätzung des ehemaligen Italienkorrespondenten der NZZ, Rudolf Stamm (R.St.) bot die NZZ vom 24.10.2008 "Indro Montanelli auf dem Seziertisch":
"Warum dieser eigensinnige, unkonventionelle Schreiber den beschriebenen Schwächen zum Trotz zu einem der führenden Journalisten Italiens und Europas geworden ist, lässt sich dem Buch nicht entnehmen. Weshalb ihm die Brigate Rosse in die Beine schossen und Silvio Berlusconi Montanelli 1994 aus dem von diesem gegründeten «Il Giornale» hinauswarf, steht nicht zur Debatte. Immerhin lässt Broggini der journalistischen Leistung durch einige Zitate Gerechtigkeit widerfahren; er wird als hervorragender Fresco-Maler und Meister des richtigen Ambiente beschrieben. Was die Objektivität angeht, wird Montanellis eigene Auffassung angeführt: Sie bestehe nicht in der Genauigkeit der Einzelheiten, sondern in der Aufrichtigkeit."
Ergänzungen durch die werten Leserinnen und Leser sind sehr erwünscht.
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