Donnerstag, 4. September 2008

"grosse Flaschen" (botellones) und die "Führung"



Peter Hartmeier: "Das schrib ich morn i mim kommentar!"

Wer aber ärgert dieser Geringsten einen, die an mich glauben,
dem wäre besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt
und er ersäuft würde im Meer, da es am tiefsten ist.
(Mth. 18,6 nach Luther)


Der Mainstream, der am reinsten aus den Kanälen des Hauses Tamedia („content for people“) tönt, will von „Führung“ nichts wissen. Daniel Binswanger, der ab und an brillante Tagi-Kolumnist, macht sich in einer Kolumne, die erst auf der news-plattform freigeschaltet wurde, dann in das „Tagi-Magi“ Eingang fand über den Begriff an und für sich lustig und über alle, die nach „Führung“ verlangen (Gratis-Journalismus). Ein in der ganzen Blogosphäre und auf facts.ch euphorisch kommentiertes Interview von Tamedia-Edelfeder Seibt (per Volksakklamation „Journalist des Jahres 2007“), mit dem grossen erbsenzählenden Mediensoziologen und Empörungstheoretiker von Zürich, Prof. Dr. Kurt Imhof (Peter von Matt meinte über diese Sorte „Wissenschaftler“ einmal: „heute gilt ja schon die Beschaffung von Drittmitteln aus der Wirtschaft als wissenschaftliche Leistung“ – ähnlicher Fall: Prof. Dr. Mörgeli), legt den ganzen Opportunismus der „grössten Schweizer Tageszeitung“ schonungslos offen. Denn kaum hat der „botellon“ - ermutigt durch einen steuergeldfinanzierten „ordentlichen Professor“ (ein Züricher Ordinarius!) der Universität, der seinen Schwachsinn noch so gerne in das Mikrofon von Zivilschutz-Verweigerer Seibt absonderte – stattgefunden und kaum musste die vermüllte Blatterwiese auf Kosten der Steuerzahler gesäubert werden, entdeckte – hört, hört – der Chef von Seibt, der wendige Heuchler Peter Hartmeier (FDP), plötzlich die „Verantwortung für den öffentlichen Raum“ (Denn zahlende Abonnenten der Print-Ausgabe wollen, wie Imhof richtig diagnostizierte, Moral: „Die SP vertritt längst nicht mehr das Proletariat. Sondern den Mittelstand (Tagi-Abonnenten: Anm. der „Willensnation“). Und der kauft momentan Moral“). Ja – so fragen wir – hatte dieser Hartmeier, dieser scharfe Vordenker, nicht genug Fantasie, sich auszumalen, was passiert, wenn die heutige Jugend von einem durch sein Organ im Internet in Verbindung mit einem Kult-Journi tönenden professoralen Welterklärer zum öffentlichen Saufen ermutigt wird? „Das schrib ich denn no im mim Kommentar“ (auf den können wir nicht linken, den gabs am Dienstag nur für die zahlenden „Moralkäufer“) empörte er sich am Montagabend in Gillis Mikrofon (das auch der Tamedia gehört) der Chef des Tages-Anzeigers, der hinwiederum dem Jung-Raubauken der Juso (Ja, der mit dem Kiff-Provokatiönchen) aber in serviler Anbiederung zubilligte „philosophisch händ si rächt“. Tja, ist nun der Chefredaktor („macrobotellon“) des Tagi auch nur so ein imhofscher „Empörungsbewirtschafter“: es scheint so. Aber getoppt wurde der Chef der Zeitung gar vom Bundespräsidenten der schweizerischen Eidgenossenschaft („Couchepin el macrobotellon maximo“) der von seinem jährlichen Medien-Event in Zimmerwald aus (Moment: fand dort nicht ein Kommunistentreffen im Ersten Weltkrieg statt? Egal, wen schert schon Symbolträchtigkeit) ganz Staatsmann und eingedenk der dramatisch Fehler, die 1968 gegenüber der aufbegehrenden Jugend gemacht wurden (Res Strehle leidet noch heute), mit der saufwilligen Jugend „subito“ in den „Dialog“ treten will. Arme Helvetia. Die Swissair gegroundet, die UBS schlingert, die Armee pinkelt führungslos in die amerikanische Botschaft und schiesst unkontrolliert um sich, während die „oberste Landesbehörde“ der saufenden Jugend durch Couchepin und dem Welt-Terroristen Bin Laden durch Calmy-Rey den „Dialog“ anbietet. Nein wir brauchen keine Führung: Hauptsache die Empörung wird medial gut „bewirtschaftet“. Und so betrachtet ist Peter Hartmeier der „führende Mann“ der Branche. Eine grosse leere Flasche, die auf den Wogen des Zeitgeistes immer obenauf schwimmt. Tamedia-Aktien? Kaufen!

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Mich würde mich interessieren, welche Passagen des Imhof-Interviews 'schwachsinnig' sein sollen und was es zur Sache tut, ob ein Journalist Zivilschutz leistet oder nicht? Ansonsten: Grosses Kino!

(Tamedia-Aktien kaufe ich trotzdem nicht...)

uertner hat gesagt…

Was an dem Interview bestürzend ist, dass ein Professor der Soziologie die üblichen "Uerten" auf denen unsere demokratische Kultur beruht, die eine sehr hohe Rgulationsdichte haben (An der Euro war ja sogar die Biersorte vorgeschrieben; die Corpsstudenten besaufen sich nach einem sehr klaren Reglement) mit einem "botellon" in einem Atemzug nennt, das eher einem orgiastischen Bachanal gleicht und in eine gänzlich unkontrollierte Ausseralltäglichkeit mündet. Solche Veranstaltungen waren noch nie in der schweizerischen Kultur verankert. Wenn in der Schweiz gesoffen wird, dann immer mit Präsident, Aktuar und Kassier und Wirt mit obrigkeitlicher Bewilligung. Der Phänotyp mag im Endeffekt der gleiche sein, aber genetisch sind die eidgenössischen Massenbesäufnisse etwas ganz anderes. Solche Differenziertheiten würde ich von einem Lehrstuhlinhaber der Soziologie doch erwarten. Skandal heisst auf griechisch "Aergernis" (so wurde der skandalon bei Matthäus übersetzt): Und die Tatsache dass Seibt den Zivilschutz durch Schwejkiaden effizient verweigert hat, hat der Anarcho-Satiriker Seibt in einem brillanten Text kürzlich selber eingestanden. Wer also Dienst leistet, brav Steuern bezahlt und seine Kinder anständig zu erziehen versucht (dies könnte auf viele Tagi-Abonnenten zutreffen), dem muss dieses Interview von einem mit Stuergeldern gefütterten Dozenten mit Fragen eines Dienstverweigerungssatirikers mächtig auf den Keks gehen, es dürfte ihn ärgern (mit gutem Grund). Dies ist eine bünzlige Sicht der Dinge: aber es sind die Bünzlis, welche die Schweiz am Laufen halten.
Folgende Passage lässt mich vollends zweifeln, ob Imhof seine Adoleszenz wirklich abgeschlossen hat: "Unfug ist das Privileg der Jugendlichen auf dem Weg zur Anpassung. Früher gab es Halbstarke, später Woodstock. Das war nicht Massenbesäufnis, sondern Massensex. Also Nacktheit in der Öffentlichkeit plus Droge. Und zwar nicht konventionelle Drogen. Sondern unkonventionelle. Da muss man ängstliche Eltern schon fragen: Was ärgert ihr euch über eine Jugend, die zur konventionellsten aller Drogen greift? Kontrollierte Massenbesäufnisse sind die harmloseste Form!"
Interessant ist, dass hier Imhof von einer "Empörungsgemeinschaft" spricht, was sehr negativ klingt. Umgekehrt würde Imhof sicher von der "republikanischen Wertegemeinschaft" sprechen, wenn etwa Blocher einen Fauxpas gemacht hat. Wir aber finden, dass auch ein Botellon mit grossen Kostenfolgen für die Allgemeinheit ein Anschlag auf die "republikanische Wertegemeinschaft" darstellt. Es ist nicht ein Zufall, dass das Phänomen aus einem Land kommt, dass bis 1975 eine Diktatur war und also das mythische 1968 verpasste. Im übrigen habe ich die Spanier als stolzes und diszipliniertes Volk kennengelernt. Selbst ihr König, der nicht selten betrunken ist, macht in der öffentlichkeit gute Figur und zeigt Haltung.